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Da sitzt er und starrt dich an. Nur dich die ganze Zeit. Er
mit seiner schwarzen Lockenpracht. Er mit seinen stechend
blauen Augen. Er mit seinem edlen Gewand.

Alle schmachten ihn an. Alle außer du. Alle beneiden dich.
Doch du fühlst dich unwohl, unter seinem starren Blick.
Viele würden liebend gerne mit dir tauschen. Doch sie wissen
nicht was geschehen ist. Was er getan hat. Was er zerstört
hat. Du hast es ihnen so oft erzählt. Doch keiner hört dir
zu. Denn sie achten nur auf die makellose Schale. Nicht
auf den verdorbenen Kern.

©2018 SchreibKunst-Blog/ (Liz) Clara Drewelies (8f)

Da ist sie! Keiner kennt sie. Niemand weiß woher sie kommt.
Doch sie rennt. Rennt weg. Stets einen Blick nach hinten
gerichtet. Zu ihrem Verfolger, der nie da zu seien scheint.
Wie sie rennt so, so ohne Ziel. Nie verweilt sie an einem
Ort. Sie ist nie da und auch nie fort.

Der eine ist besorgt um sie. Der andere hält sie für verrückt.

Das wallende Kleid, das wallende Haar. Die Beine und Arme
doch etwas unproportional. Das kommt vom Rennen, sagen die
Leute, vom Rennen. Wie lang rennt sie schon? Wie lang wird
sie noch rennen? Wissen tut das keiner. Wissen tut das
nur sie.

©2018 SchreibKunst-Blog/ (Liz) Clara Drewelies (8f)

Sei still, Kleine
Bei Einbruch der Nacht,
Gibt auf deine Wacht.
Sei still, Kleine.
Schlaft ein, Kleine.

Es ist besser, wenn du schweigst,
Überleg´, wer dich hört, wenn du schreist.
Sei still, Kleine.
Schlaf ein, Kleine.

Drück dein Gesicht in das Kissen,
Wenn du weinst, wer wird´s wissen?
Sei still, Kleine.
Schlaf ein, Kleine.

Wälz dich nicht im Bett,
Furcht ist Tod, Angst ist nett.
Sei still, Kleine.
Schlaf ein, Kleine.

Versteck dich nicht unter Decken,
Wenn Todesfeen sich die Lippen lecken.
Sei still, Kleine
Schlaf ein, Kleine.

Verbirg deine Angst, werd nicht weiß,
Die Höllenhunde riechen den Schweiß.
Sei still, Kleine,
Schlaf ein, Kleine.

Wenn du dich dem Schicksal widersetzt,
Wirst du von Furien in die Hölle gehetzt.
Sei still, Kleine.
Schlaf ein, Kleine.

Hör auf in Gedanken zu fliehen.
Gegenwehr wird nicht verziehen.
Sei still, Kleine,
Schlaf ein, Kleine.

Deine Zeit ist gekommen,
Dein Licht verglommen.
Sei still, Kleine,
Schlaf ein, Kleine.

Der letzte Tanz beginnt,
Der Tod gewinnt.
Tanz, Kleine.
Geh mit ihm, Kleine.

Jetzt fliegen wir ins Nimmerland,
Komm, nimm Todes Knochenhand.
Sei still, Kleine.
Geh mit, Kleine.

©2018 SchreibKunst-Blog/ Leonie Brandmeier (8d); Zeichnung „Liegender weiblicher Akt“ von Girodet Trison

Im Ende
Dunkle Schwingen,
Helle Klingen,
Immerwährende Nacht,
Nimmerendende Wacht.

Fesseln aus Licht,
Ändern die Sicht.
Erzwungen,
Verschlungen.

Sternenstaub,
Dunkeltaub.
Umschlungen,
Errungen.

Nacht uns verschlingt,
Sei still mein Kind.
Zerstört,
Nicht gehört.

©2018 SchreibKunst-Blog/ Leonie Brandmeier (8d); Zeichnung „Liegender weiblicher Akt“ von Girodet Trison

Titellos
Bist gefallen,
Abgrundtief.
Folgtest der Stimm`,
Die dich rief.
Gesogen ins Verderben,
Gelandet auf den Scherben.
Des Spiegels,
Der öffnet den Riegel.
Verborgen in Augen,
Die fremde Leben saugen.
Zogen dich hinfort
Ein Mord.
Fielst für den Kampf,
Ohne Waffen, so sanft.
Verderben kam über dich,
Als angenehmes warmes Licht.
Lagst im Leben,
Gefangen in Spinnenweben.
Die Verkleben,
Sein mit Nicht-Sein.
Das Leben ruft,
Was es schuf.
Werst dich,
Schmerz in deinem Gesicht.
Bittersüß.
Verborgen,
Im Morgen.
Geh und find´ deinen Platz,
Dein Leben, dein Schatz.
Bist ohne bösen Willen,
Gefangen in den Rillen,
Deines Seins, endlos,
Nimm das Floß.
Zum Ende,
Oder nimm an die Wende.
Sinnbild der Toten,
Vorbild der Lebenden.
Erliegst dem Schicksal,
Lässt ihm die Wahl.
Fließt mit.

©2018 SchreibKunst-Blog/ Leonie Brandmeier (8d); Zeichnung „Liegender weiblicher Akt“ von Girodet Trison

Was du (nicht) bist?

Die Sonne brennt,
in deinen Augen, auf der Haut,
die Zeit rennt,
ihre Schritte leise und auch laut.
Doch du hörst sie nicht, die Schritte,
sitzt zwischen Felsen in der Mitte.

Außer dir niemand zu sehen,
du bist einfach nur allein.
Du könntest rennen, könntest gehen,
könntest singen, könntest schreien.

Aber du sitzt und du vergisst
alles um dich und die Zeit,
und alles was da ist,
was immer war, das ist dein Leid.

Es ist alles, was du hast,
diese riesengroße Last.
Und doch sitzt du dort im Licht,
der Schatten, er erreicht dich nicht.

Ist da wirklich so viel Trauer?
Was ist hinter deiner Mauer?
Deiner Maske, die du trägst,
der Fassade die du lebst?

Ich kann es dir nicht glauben,
denn du lachst mit deinen Augen.
Kein Leid ist mehr in Sicht,
nur ein Lachen im Gesicht.

Du verweilst für eine Stunde,
oder nur eine Sekunde,
um zu vergessen, was da ist,
zu sein was du willst, aber nicht bist.

Bauernhäuser und Hütten über einem Felsabhang
Bild & Quelle: „Bauernhäuser und Hütten über einem Felsabhang“ von Jean-Jaques de Boissieu

©2018 SchreibKunst-Blog/ Jana Fritsch (Studentin an der JGU Mainz)

Baumstudie
Schräg wächst das Pflänzchen,
es weiß es nicht besser,
es tut alles, was es kann.
„Steht!“, das ist der Anspruch
und das tut es auch
es wächst weiter, recht entspannt.

Höher und härter,
weiter und dicker.
Nun ist es groß und es besinnt
sich auf seine Schief-
Lage und stellt sich die
Frage, wie die weitere Zeit wohl gerinnt.

Schräg wächst der Baum,
er weiß es nicht anders,
es ist alles, was er kann.
„Steht!“, das ist der Anspruch
und das tut er auch
doch mit dem Alter weiß er nicht mehr, wie lang.

©2018 SchreibKunst-Blog/ Ikira Schielke (Informatik und Digital Philology Studentin der TU DA); Inspiriert durch: Baumstudie: drei Stämme von Jean-Jaques de Boissieu, Lyon 1736-1810

Wie Tag und Nacht

in deinen Augen fand ich meine Liebe
sah in ihnen die Sonne aufgehen
die Sonne untergehen
ich sah den Tag aufbrechen
die Nacht einbrechen

in deinem Handeln fand ich den Schmerz
ich fühlte die Zerrissenheit des Bandes das unsere Herzen hielt
fühlte die Salztropfen tiefer in die Wunde dringen
und letztlich deine Hand sich gegen mich heben

Wie Tag und Nacht waren wir
du nahmst mir nicht nur den Tag
mit dir verschwanden auch die Sterne der Nacht
und somit jegliches Licht in meinem Leben

©2018 SchreibKunst-Blog/ Fatima Haji