Als ich aufwache, ist die andere Seite des Bettes kalt.
Schnell schlage ich die Augen auf, in der stillen Hoffnung mein Gefühl habe mich getäuscht und in Wahrheit sei alles so wie immer und die kalte Hälfte warm. Während ich noch mit schweren Lidern blinzele, schleicht sich die Erkenntnis in meinen Kopf und flüstert mir Dinge zu, die ich nicht hören will:
„Es ist deine Schuld. Du hast nicht richtig aufgepasst. Das alles wäre nicht passiert, hättest du besser Acht gegeben…“
Das Herz bleiern, lasse ich die Beine über die Bettkante fallen. Mit einem dumpfen Schlag landen meine Füße auf dem Teppich. Ich erhebe mich und beginne das Haus zu durchsuchen; nur noch ein Fünkchen Hoffnung ist in mir.
Leere, wohin ich auch komme. Wie könnte es auch anders sein? Schwermütig lasse ich die Finger an der Wand entlanggleiten, die raue Tapete unter ihnen. Sehnsüchtig werfe ich einen Blick auf die verstaubten Familienfotos, auf denen noch alles in bester Ordnung war. Doch die diebische Zeit schlug ein wie eine Bombe und nichts war mehr an seinem Platz. Dinge verschwanden, und nicht nur Dinge, bis schließlich nichts mehr übrig war. Seither bin ich allein.
Nein. Noch bin ich nicht ganz allein, noch nicht. Trotz all der Ereignisse in vergangenen Tagen, ist mir Stella noch geblieben. Ich dachte immer, das könne mir nichts in der Welt nehmen.
Ich gehe aus der Haustür, um der Stille zu entfliehen; die Angst vor einer endgültigen Einsamkeit noch immer dicht auf den Fersen. Als ich die Stufen nach unten stolpere, trete ich ins Nichts. Ich strauchele. Beinahe falle ich. Klammere mich am Geländer fest, wie an einem Rettungsring.
Die Zeit reicht nicht, mich von dem Schreck zu erholen. Tick, tick, tick. Sie rennt. Fließt wie Sand durch meine Finger. Versickert wie Wasser im Grund.
Im Gemüsebeet finde ich sie nicht. Auch nicht hinter den Mülltonnen. „Weiter!“, zwinge ich mich. Mein Kopf will vorwärts, mein Herz will zerbrechen. In tausende Splitter. Bersten, explodieren und einfach aufgeben. Wo kann sie nur sein? Sie ist nicht hinter den Büschen. Nicht zwischen den Blumen.
Der Garten verschwimmt vor meinen Augen, ich spüre etwas Nasses auf meiner Wange. Meine Hände zittern, meine Knie wollen nachgeben. Ich kann nicht mehr weiter. Sinke auf den Boden. Bis auf mein Schluchzen ist noch immer nichts zu hören, doch die Stimmen in meinem Kopf drohen mein Trommelfell zu zerreißen. Ich versuche sie zu ersticken, die Tränen beiseitezuwischen, meine Beine zu zwingen, mich weiter zu tragen. Doch je mehr ich mich erheben will, desto stärker werde ich zu Boden gedrückt.
Bittersüß und salzig laufen Tränen über mein Gesicht. Tropfen auf meine Hände, wässern den Boden und verfangen sich in meinen Haaren. Ich kann mich nicht wehren, kann es nicht stoppen.
Da findet ein Geräusch seinen Weg durch die Stille aus Verzweiflung, die mich umgibt. Erst nur ganz leise. Dann immer lauter. Ich konzentriere mich. – Es ist ein Bellen. Durch den Schleier vor meinen Augen versuche ich auszumachen, woher es kommt. Da – eine Bewegung.
Das nächste, das ich spüre, ist eine kleine Zunge, die mein Dasein als Springbrunnen beenden will und versucht, die salzigen Tränen zu fangen. Doch ich weine weiter, immer weiter, vier Pfoten in meinem Schoß. Tränen der Erleichterung rinnen über meine Wangen. Sanft streiche ich über den Verband an einer der Pfoten; den Hinweis auf einen gebrochenen Knochen. Es scheint als wäre er verheilt.
Mein Herz steht still und schlägt gegen meine Rippen. Meine Freude ist unbeschreiblich groß. Die Tränen laufen nur so aus meinen Augen, tropfen in das Fell; auf die Nase um die ich so viel Angst hatte. „Stella“, schluchze ich und presse den kleinen Beagle an mich, als würde ich ihn nie mehr loslassen wollen. Und das will ich auch nicht.