Springe zum Inhalt

AG Pegasus

Literaturpreis 2022

Wir sind sehr stolz, dass unsere Jury schon seit 16 Jahren professionell von einer Autorin unterstützt wird. In diesen Jarh wurde unser langjähriges Jurymitgleid Gebriele Beierlein verabschiedet. Wir freuen uns, Ilona Einwohlt als ihre Nachfolgerin gewonnen zu haben.

Gabriele Beierlein            Ilona Einwohlt

Hier ein paar filmische Impressionen der Preisverleihung: Film (4 Minuten)

Neben dem Preisgeld haben unsere Gewinnerinnen dieses Jahr die Möglichekeit gehabt, bei Radio Darmstadt (RaDar) ihre Texte aufzunehmen, zu schneiden und zu überarbeiten.

Die Texte wurden zu einem zweistündigen Radiobeitrag, der mehrfach bei RadaR gesendet wurde. Wir sind sehr stolz auf das Ergebnis, das sich wirklich hören lassen kann!

Hörproben aus der Sendung

Rieke Schuster "freie Wildnis" (3.Platz - Jahrgang 5&6)

 

Katharina und Charlotte "Endlich frei" (2. Platz - Jahrgang 5&6)

 

Tom Schmidt "frei"/"Lüftungsschacht 098" (1. Platz - Jahrgang 5&6)

 

Roya Sauer "frei, endlich frei" (3. Platz - Jarhgang 7-9)

war leider erkrankt

 

Lena Geyer "frei sein mit dir" (2.Platz - Jahrgang 7-9)

 

Ella Ziegert "Eleutheria" (1. Platz - Jahrgang 7-9):

 

Merlin Obst, Don Langer (Christian in Vertretung), Frederik Schmid "Grenzen sind zum Überschreiten da" (Sonderpreis Drama - E-Q-Phase):

 

Tim Hechler "Die Hochhäuser schmolzen hinter ihm" (3. Platz - E-Q-Pahse):

 

Vivien Meyer "Die Stimme" (2. Platz - E-Q-Phase):

 

Malak Aderounmu "noch ein text über gefühle" (1.Platz - E-Q-Phase):

 

 

Hier geht es zu den Leseversionen der Texte.

Cooming soon... die ganzen Texte als Hörversion.

 

 

Er war ein alter Mann und er fischte allein in einem Boot im Golfstrom, und seit vierundachtzig Tagen hatte er keinen Fisch gefangen.

Jeden Tag kehrte er mit einem leeren Netz nach Hause zurück und musste seine Familie enttäuschen, die sich nach einem Fang sehnte. Ein großer Druck lastete auf ihm, als er am fünfundachtzigsten Tag zum Meer zurückkehrte.

Er löste den Knoten, der sein Schiff an den Steg festband und stieg in das Boot hinein. Nun packte er die Ruder und ruderte aufs Meer hinaus.

Die Luft roch nach Salz und frischer Wind peitschte dem alten Mann um die Ohren.

Er kam nur sehr langsam voran. Seine Stärke war mit der Zeit geschwunden.

Das Schiff schaukelte leicht in den Wellen und der alte Mann bereitete alles für den Fischfang vor. Er legte die Netze aus und nahm seine Angelrute in die Hand. Danach konnte er nur noch abwarten. Und so wartete er Stunden lang, bis er die Sonne untergehen sah und es Zeit war zurückzusegeln.

Auf dem Rückweg begann es nach kurzer Zeit zu regnen und die zerfransten Klamotten des Mannes wurden vollkommen durchnässt. Seine Frau, sein Sohn und dessen Ehefrau machten sich große Sorgen, als sie ihn so zittrig und durchnässt sahen. Sie machten ihm sofort einen Tee und brachten ihn ins Bett.

Das Gewitter wütete und die Familie fror die ganze Nacht hindurch.

Am nächsten Morgen konnte der alte Mann nicht hinaus auf das Meer fahren, um Fische zu fangen. Er hatte sich etwas eingefangen und musste nun die nächste Woche im Bett verweilen. Doch dies plagte ihn nur umso mehr. Wie sollte er einen Beitrag leisten können, wenn er nur in seinem Bett verblieb?

Schließlich beschloss er doch noch, hinaus zu segeln. Ohne auf die Bitten seines Sohnes zu achten, der ihm draußen im Garten begegnete, lief er zum Steg am Sandstrand, löste das Seil und setze sich in das Boot. Es ist meine Pflicht, flüsterte er immerzu vor sich hin. Es war ein bewölkter Tag. Die Sonne strahlte leicht zwischen den Wolken hervor und nur eine kleine Brise zog über das Land. Der alte Mann saß in seinem Boot und hoffte auf einen Fang. Doch auch diesmal schwand seine Hoffnung, Stunde um Stunde mehr. Er brachte es nicht über sich, seine Familie erneut zu enttäuschen. Ich bin zwar alt, aber nicht zu alt, um mitzuhelfen. Voller Überzeugung sprang er von seinem Boot in die Wellen hinein. Das salzige Wasser drang in seine Augen und seine Kleider zogen ihn nach unten, doch trotzdem er hielt Ausschau nach den Fischen.

Der alte Mann spürte, wie der Wasserdruck ihm zu schaffen machte, in seinen Ohre piepte es schrill, während er keinen einzigen Schwarm in greifbarer Nähe zu Gesicht bekam. Luft, ich brauche Luft!, schrie sein Gehirn. Da konnte es der Mann nicht weiter aushalten. Er strampelte wild mit den Beinen, um die Wasseroberfläche zu durchbrechen. Ein paar Sekunden später tauchte er auf und klammerte sich an sein Boot fest, das seine Fingerknochen heraustraten und weiß wurden. Mit großer Anstrengung kletterte er wieder in sein Boot. Vielleicht bin ich doch ein wenig zu alt, um tauchen zu gehen, dachte er.

Den Rest des Tages sah er aufs Meer hinaus und grübelte vor sich hin.

Noch in der selben Nacht kehrte er heim. Seine Frau stürzte ihm entgegen und schimpfte, wie leichtsinnig es doch sei krank hinaus zu fahren, um zu fischen. „Dir hätte weiß Gott was passieren können!“, warf sie ihm vor. Der alte Mann bemerkte, wie viel besorgter sie um ihn war als um den Fischfang. In dieser Nacht traf er den Entschluss, nicht mehr aufs Meer zu fahren, um zu Angeln, sondern um sich zu entspannen und gelassener und ruhiger zu werden. Seiner Familie wollte er anderweitig mit kleinen Gesten helfen. Doch vorerst würde er seinen Sohn den Fischfang lehren, auf das sein Wissen ihm eine Stütze sei.

Mein neuer Chauffeur, der Herr Opossum,

ist ein ganz besonderer Genosse.

Steig' ich ins Auto ein, oh Graus:

das Polster schaut durch den Stoff heraus.

Was ist denn in der Box auf dem Sitz?

Das sind die Mäusescheibchenchips.

 

Steigt der Herr Opossum ein,

wollen auch die Kinder rein.

20 sind es an der Zahl,

streiten sich bei der Sitzplatzwahl.

 

Endlich sind sie angeschnallt

(bzw. haben sich festgekrallt)

und machen einen Heidenlärm.

Den Papa scheint's nicht zu stör‘n.

 

Doch hebt Opossum da den Kopf

und sieht dort am Himmel den Milan;

er stellt sich an,

er stellt sich tot,

die Zunge ist rot.

Und fällt auf den Autohupknopf.

 

Hupend steht das Auto da,

da kommt die Polizei, tatütata,

und will den Führerschein sehen!

Ich denk': "Jetzt ist's um uns gescheh’n“

Opossum hat sich eingekriegt,

obgleich er noch auf dem Sitze liegt,

denn Polizei ist nicht sehr nett,

weil der Fahrschein, der ist weg.

 

Dies Treffen war nicht sehr erfreulich,

doch der Polizist,

der hatte einen Schwips.

Und nach einigen Lügen

(er ließ sich sehr leicht trügen)

ließ er uns geh‘n, zu unserer Freude.

 

Nun fahren wir endlich los, hurra!

Doch's nächste Problem, das ist schon da:

Die Kabel am Motor sind abgekaut,

damit ha‘m sich die Kinder einst selber betraut.

Zum Glück ist Papa klug genug

(der ist Maschinist vom 2. Beruf),

die Reparatur ändert alles hieran,

denn nun springt der Motor wieder an.

 

 

Los geht's, durch Flur und Wald,

die Kinder sind müd' und schlafen bald.

dann geht's auf Asphaltgebau;

doch bald stehn' wir im Autostau!

 

Eigentlich ist es doch gemütlich.

Naja, ich bin ja auch begnüglich.

Doch das Ganze hat 'nen Haken:

das Opossum will nicht warten!

 

Drum lenkt es trotz meiner Wehr

das Auto aus dem Straßenverkehr.

Wir holpern also querfeldein weiter;

die Kinder sind erwacht und sehr heiter.

 

Ich hab's kommen seh‘n, den platten Reifen,

Opossum braucht noch Zeit zum Begreifen.

Autohüfpen hat ihm Spaß gemacht,

hat Risiken wohl nicht bedacht.

 

Der Reifen wird notdürftig geflickt,

Das Ersatzrad ist daheim, verflixt.

Deshalb müssen wir nun heimwärts fahren,

zurück durch all die Gefahren.

 

Zum Glück kommen wir auf halbem Wege

zur Autowerkstatt von Herrn Kegel.

Herr Kegel wechselt uns das Rad,

denn er hat stets eins parat.

 

Opossum ist bester Ausflugsstimmung,

doch die Kinder bringen ihn zur Besinnung.

Die wollen nämlich trotzdem heim

und Papa lenkt schließlich ein.

 

Auf dem Weg nach Hause

geraten wir unter Regens Brause.

Scheibenwischer gehen nicht,

ebenso wenig das Scheinwerferlicht,

und weil es an den Scheiben rinnt,

es Opossum bald die Sicht wegnimmt.

 

Plötzlich geht es steil bergab,

es kracht, es spritzt, und wir sind nass.

Dann treiben wir also auf dem Fluss,

und weil Opossum beschäftigt sein muss,

schalt' ich den Deutschlandfunk ein.

Doch er wollt' lieber hr1.

 

Wir schimpfen und zanken fürchterlich

Bis Opossum aufs Gerät schlägt und spricht:

"Deutschlandfunk ist mir nicht gut genug!"

Doch leider ist das Radio nun kaputt.

 

Wir fahren weiter die Strömung hinunter;

auf einmal sind die Kinder ganz munter:

wir treiben zu aufs offene Meer,

da waren die Kleinen schon ewig nicht mehr.

 

Das Wasser hat leider viel zu viel Kraft,

zu wenden haben wir nicht mehr geschafft.

Wir treiben weit weit weg vom Land

wo mein Zuhause sich befand.

Und, zu allem Überfluss

die Sippe seekrank werden muss.

 

Nichts passiert für ein paar Stunden,

dann haben wir eine Insel gefunden!

Ein paar Bäume wachsen dort,

nichts andres gibt's an diesem Ort.

 

Gefangen bleiben wir für alle Tage,

deshalb kann ich dir nur raten:

Lass dich nie auf ein Opossum ein!

Wenn du es befolgst, würd' ich mich freu‘n.

Das Coronavirus

Originaldokument: Das Coronavirus_AzraHavvaGunay.docx

Vor 5 Jahren ist dieser Virus auf unserer Welt entstanden. Seit dem muss man
den Mundschutz mit Essen kaufen. Geld wirkt nichts. Menschen töten sich, um
Essen zu finden! Seit 4 Jahren sagen die Ärzte, dass sie ein Hilfsmittel gegen
das Coronavirus finden aber das haben sie noch nicht gefunden. Es gibt fast
niemand mehr der den Virus nicht hat. Eine von diesen bin ich. Ich habe den
Virus nicht. Es ist schwer Essen zu finden. Früher habe ich immer mein Essen
gekocht und danach etwas auf YouTube angeschaut aber jetzt habe ich kein
Wasser, um Essen zu kochen und auf YouTube habe ich schon alle Videos geguckt. Ich gucke jetzt nur
noch auf Nachrichten, ob etwas Neues mit dem Coronavirus ist. Manchmal kommen meine Freunde zu
uns aber bevor sie reinkommen, müssen sie sich testen, ob sie Infiziert sind oder nicht. Der Test dauert
ca. 1–2 Minuten. Wenn sie nicht infiziert sind können sie reinkommen. Alle können leider nicht rein, weil
die Bundeskanzlerin es so gesagt hat. Es dürfen nur 2 Personen ein Raum betreten. Wenn sie
reinkommen muss jeder von sich selber etwas mitbringen damit wir es essen können. Aber leider seit
einer Woche kommt niemand mehr denn einer meine Freunde hat Fieber, Kopfschmerzen, Niesen und
Husten . Ich wünschte, dies Virus wäre weg oder die Ärzte finden ein Hilfsmittel. Es ist besser, wenn sie
ein Hilfsmittel finden, weil manche Menschen sowie meine Eltern
und Geschwistern sind noch nicht tot aber infiziert. Egal ob
infiziert oder nicht bleib bitte zu Hause. Wenn ihr infiziert seid,
wollt ihr bestimmt niemand mehr anstecken und auch wenn ihr
es wollt tut es bitte nicht. Es gibt Menschen, die noch nicht
infiziert sind und es auch nicht wollen also bleib bitte zu Hause.

Als ich aufwache, ist die andere Seite des Bettes kalt.

Schnell schlage ich die Augen auf, in der stillen Hoffnung mein Gefühl habe mich getäuscht und in Wahrheit sei alles so wie immer und die kalte Hälfte warm. Während ich noch mit schweren Lidern blinzele, schleicht sich die Erkenntnis in meinen Kopf und flüstert mir Dinge zu, die ich nicht hören will:

„Es ist deine Schuld. Du hast nicht richtig aufgepasst. Das alles wäre nicht passiert, hättest du besser Acht gegeben…“

Das Herz bleiern, lasse ich die Beine über die Bettkante fallen. Mit einem dumpfen Schlag landen meine Füße auf dem Teppich. Ich erhebe mich und beginne das Haus zu durchsuchen; nur noch ein Fünkchen Hoffnung ist in mir.

Leere, wohin ich auch komme. Wie könnte es auch anders sein? Schwermütig lasse ich die Finger an der Wand entlanggleiten, die raue Tapete unter ihnen. Sehnsüchtig werfe ich einen Blick auf die verstaubten Familienfotos, auf denen noch alles in bester Ordnung war. Doch die diebische Zeit schlug ein wie eine Bombe und nichts war mehr an seinem Platz. Dinge verschwanden, und nicht nur Dinge, bis schließlich nichts mehr übrig war. Seither bin ich allein.

Nein. Noch bin ich nicht ganz allein, noch nicht. Trotz all der Ereignisse in vergangenen Tagen, ist mir Stella noch geblieben. Ich dachte immer, das könne mir nichts in der Welt nehmen.

Ich gehe aus der Haustür, um der Stille zu entfliehen; die Angst vor einer endgültigen Einsamkeit noch immer dicht auf den Fersen. Als ich die Stufen nach unten stolpere, trete ich ins Nichts. Ich strauchele. Beinahe falle ich. Klammere mich am Geländer fest, wie an einem Rettungsring.

Die Zeit reicht nicht, mich von dem Schreck zu erholen. Tick, tick, tick. Sie rennt. Fließt wie Sand durch meine Finger. Versickert wie Wasser im Grund.

Im Gemüsebeet finde ich sie nicht. Auch nicht hinter den Mülltonnen. „Weiter!“, zwinge ich mich. Mein Kopf will vorwärts, mein Herz will zerbrechen. In tausende Splitter. Bersten, explodieren und einfach aufgeben. Wo kann sie nur sein? Sie ist nicht hinter den Büschen. Nicht zwischen den Blumen.

Der Garten verschwimmt vor meinen Augen, ich spüre etwas Nasses auf meiner Wange. Meine Hände zittern, meine Knie wollen nachgeben. Ich kann nicht mehr weiter. Sinke auf den Boden. Bis auf mein Schluchzen ist noch immer nichts zu hören, doch die Stimmen in meinem Kopf drohen mein Trommelfell zu zerreißen. Ich versuche sie zu ersticken, die Tränen beiseitezuwischen, meine Beine zu zwingen, mich weiter zu tragen. Doch je mehr ich mich erheben will, desto stärker werde ich zu Boden gedrückt.

Bittersüß und salzig laufen Tränen über mein Gesicht. Tropfen auf meine Hände, wässern den Boden und verfangen sich in meinen Haaren. Ich kann mich nicht wehren, kann es nicht stoppen.

Da findet ein Geräusch seinen Weg durch die Stille aus Verzweiflung, die mich umgibt. Erst nur ganz leise. Dann immer lauter. Ich konzentriere mich. – Es ist ein Bellen. Durch den Schleier vor meinen Augen versuche ich auszumachen, woher es kommt. Da – eine Bewegung.

Das nächste, das ich spüre, ist eine kleine Zunge, die mein Dasein als Springbrunnen beenden will und versucht, die salzigen Tränen zu fangen. Doch ich weine weiter, immer weiter, vier Pfoten in meinem Schoß. Tränen der Erleichterung rinnen über meine Wangen. Sanft streiche ich über den Verband an einer der Pfoten; den Hinweis auf einen gebrochenen Knochen. Es scheint als wäre er verheilt.

Mein Herz steht still und schlägt gegen meine Rippen. Meine Freude ist unbeschreiblich groß. Die Tränen laufen nur so aus meinen Augen, tropfen in das Fell; auf die Nase um die ich so viel Angst hatte. „Stella“, schluchze ich und presse den kleinen Beagle an mich, als würde ich ihn nie mehr loslassen wollen. Und das will ich auch nicht.

„Willst du mit zu mir kommen? Wir könnten zusammen Mathe lernen.“, fragte mich meine beste Freundin Julia.

„Kann nicht. Du weißt doch, dass meine Eltern bis Samstag in Berlin sind.“, antwortete ich bedauernd.

,,Ja und? Umso besser, dann musst du nicht alleine zuhause sein.“, sagte Julia grinsend, total begeistert von ihrer eigenen Idee.

„Ich bin nicht alleine, ich habe dir doch erzählt, dass ich solange bei meiner Oma bleibe.“

„Stimmt, hast du mir ja erzählt.“ Sie ließ die Schultern hängen.

„Ich schreibe dir aber später noch, versprochen!“, schob ich hinterher, als ich ihren enttäuschten Gesichtsausdruck sah.

,,Na gut. Dann halt ein anderes Mal.“ Sie umarmte mich schnell und rannte dann zu ihrer Bahn, die schon gehalten hatte. Ich winkte Julia noch hinterher, mein Bus kam eh erst in 15 Minuten.

Langsam setzte ich meine Beine in Bewegung und lief zur Haltestelle. Ich steckte die Hände in die Taschen, heute war einer der kältesten Tage seit langem. Jedenfalls kam es mir so vor. Ich kuschelte mich in meinen dicken Schal, den Oma mir zum Geburtstag gestrickt hatte. Mir gefiel der Schal, weil er schön groß war. Außerdem schmiegte sich die weiche Wolle an meine Wangen, was ihn nicht nur zu einem tollen Versteck für mein Gesicht machte, sondern auch wirklich warm hielt.

Als ich um die Ecke bog, stand der Bus schon da. ,Hä, seit wann kommt der denn zu früh?´, fragte ich mich. ‚Ist ja eigentlich umso besser.‘

Ich hatte nämlich echt keine Lust, wie letztes Mal 20 Minuten in der Kälte auf den verspäteten Bus warten zu müssen.

Da ich meine Hände schon tief in meinen Taschen hatte, griffen meine Finger automatisch nach meiner Jahreskarte. Doch da war nichts. Meine Finger griffen ins Leere. Hektisch kramte ich weiter, mein Herzschlag wurde schneller. Ich warf einen Blick in meine Taschen, doch sehen konnte ich sie auch nicht. Da war nichts. Außer ein benutztes Taschentuch und meine FFP2-Maske.

Da fiel es mir ein. Meine Karte war in der anderen Jacke. Bei dem Regen am Morgen hatte ich mich für meine Regenjacke entschieden und das Ticket vergessen. Och nee! Wie konnte mir sowas Doofes passieren? Mann!

Aber es brachte nichts, sich aufzuregen. Das brachte meine Karte auch nicht dazu, zu mir zu fliegen. Jetzt musste ich mir ein Ticket kaufen. Beim Gedanken daran, mit dem grummeligen alten Busfahrer reden zu müssen, wurde mir übel. Konnte ich nicht einfach Schwarzfahren? Nein, würde ich erwischt werden, wäre es noch schlimmer. Wahrscheinlich würde mich auch noch die Polizei einsammeln, und mit ernsten Polizisten hatte ich noch weniger Lust zu reden.

Ich holte tief Luft, setzte schnell meine Maske auf, wickelte mir meinen großen Schal noch einmal um den Hals, und ging langsam die Stufen hoch. Ich starrte auf den Boden und mit leiser Stimme murmelte ich: ,,Eine Kinderfahrkarte bitte“ und versteckte mich noch ein bisschen tiefer in meinen Schal.

„Geht´ s noch leiser?“, fragte der alte Busfahrer gereizt. Erschrocken hob ich meinen Kopf. Mein Herz begann schneller zu schlagen und meine Hände wurden feucht.

„Hallo, ich rede mit dir.“, sagte er langsam und mit lauter Stimme. Ich schaute ihm kurz in die Augen, doch blickte gleich wieder nach unten und vergrub meine Hände noch etwas tiefer in meinen Taschen.

„Eine Kinderfahrkarte bitte.“, wiederholte ich diesmal etwas lauter und mit zitternder Stimme.

„Mädchen du musst lauter reden, ich verstehe dich nicht! Oder nimm die blöde Maske ab, wenn du nicht laut genug reden kannst!“, maulte er mich an. Ich zuckte zurück, mein Gesicht noch immer versteckt von meiner Maske und von meinem Schal.

„Hallo, geht es bitte etwas schneller? Du bist hier nicht die einzige im Bus!“, hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir. Ich drehte mich langsam um und sah eine alte Dame, die sich auf ihren Stock stützte und mich genervt ansah.

„Tut mir leid.“, flüsterte ich und schob mich an ihr vorbei nach draußen. Mir war zum Heulen zumute.

An diesem Tag lief ich nach Hause.

Everything different 

 

The news travelling worldwide: 

a virus we never heard of before 

remember the last time being outside? 

No, not anymore 

 

Learning strange terms, 

we never thought we needed, 

but here we are, wishing back the norms 

and living our lives on repeated 

 

Lockdowns and masks are well-known things, 

not travelling and visiting 

is cutting off our wings, 

so the most valuable rule is distancing 

 

Blaming others for the situation, 

but solidarity is what we need 

to prevent our earth from collapsing 

you have to start adapting, 

because the numbers took speed 

and always remember your last location 

 

Not only now, but forever 

this will strengthen our society 

and saying ‘Hate will never 

be my priority.’ 

 

Not being selfish, 

but reaching out to the helpless 

and acting like sisters and brothers, 

always supporting others 

 

Sharing new invented vaccines 

to make some progress, 

but somehow poor countries fighting the disease 

are still not able to have success 

 

Surviving a pandemic 

is a story we will tell our kids, 

a memory that remains epic 

and so many things the government forbids 

 

 

Imagine the whole world grounded 

and New York City not being crowded, 

you think it is impossible 

well, CoVid was unstoppable 

 

Having virtual classes and not seeing your friends, 

was one of many side effects. 

You thought this was the end? 

We all did, 

when just another wave hit, 

which was mutated 

 

We were taking control of something we weren't prepared, 

but tried to manage it because we all shared 

the same situation and prayers, 

today this is what scares 

 

But we stick together and wait 

till' there is an update 

telling us 'everything different' 

is over and now irrelevant. 

Für besserse Leserlichkeit und Formatierung: Everything Different_Madhivadhana-Ramesh_ohne Preis

 

Everything Different
by Madhivadhana Ramesh (11 years old)

 

In the year 2031 scientists invented a real
time machine. There was a girl named
Christina. She was an adventurous girl. She
wanted to use the time machine to go to the
future.
One day she sneaked into the lab where they
kept the time machine. She was almost caught,
but luckily he was saved by a glass bottle that
fell and broke. It distracted the guard on
duty. Christina found the time machine and
tried to operate it, but she could not do it.

Then she found a manual and worked out what she had to do. She got into the
time machine and entered the time.
Only a few seconds later, she was in the year 3845. She looked around and
everything was different. She was astonished by the technology they had. She
wanted to find herself but she could not because she was dead by then. But
Christina was a spirited girl so she said to herself: “I am not dead yet so I
might as well enjoy this now.”
She wandered through the city with her open mouth. She saw robots and
people wearing exoskeleton. “I want an exoskeleton too”, Christina said to
herself. She asked some people where she could buy an exoskeleton. She knew
she was in Japan but she could not understand what they were saying. But she
could understand that they were not speaking Japanese.
So she went on exploring the city. She was tired and hungry and wanted to eat
something. Therefore, she went into a grocery store, took a cart and filled it
with a lot of things, but when she went to the counter she stopped, because no
one was paying with cash or card. They were paying with their hands. When it
was her turn, the lady, who was sitting at the counter, told her to show her
hand. But when she did, the lady at the counter asked her where her chip was.
Christina asked: “What chip?”.
The lady was surprised and called the police. After some standard questions,
the police took her to the police station; the policemen were robots. When she
was sitting in the police station, a young girl came. The girl showed the police a
kind of paper and then the police let Christina go. When the girl talked to
Christina, she knew her name. Christina was astonished that she obviously
knew her. The girl said that she was her grand-grand-grand-daughter. Her
name was Melina. She told her that she should go back because it was
dangerous to stay in the future for too long. Christina went back, astonished
and hungry. Years later, Christina told her children and grandchildren what
she had in the future. Everything had been so very different.

Everything different.

These days that’s everything anyone ever talks about.

That everything has changed, that they feel caged, when will this stage be over?

Like “Wow this past year has been crazy right?”

Or

“Isn’t it strange? Despite all our efforts more and more suicide might pass the green light at the crossroad”

Sure everything is different.

But is it?

Can women walk alone at night without checking their backs?

Without having to worry about the man in black waiting with a sack for the right time to attack?

Can we be truly free?

Not thinking about what others might think if we so much as blink the wrong way or obsessing over how much we weigh?

Because “Hey, don’t be a slut and wear that” or “I don’t think you’re healthy. Here, try this diet”

We have to explain to boys that no means no over and over again without them backing off.

Because when you say no you’re considered a bitch. How could you say no then? You don’t want to be that witch who turned them down, because then the whole town would know about it.

And how could you deal with that social rejection, when it becomes the reflection you see in the mirror.

Except that mirror starts talking back and it’s not nice.

It’s a backpack full of hurt and resentment and trauma so heavy it nearly gets every woman on hear knees crying and begging please that the weight would lift off her shoulders.

But who am I to say who has it the hardest?

I’m just a woman, right?

Everything different.

But can every person express themselves?

Can they be gay or Bi or Trans or even plain straight without judgement?

Without dirty looks on the street just for holding someone’s hand or kissing them on the cheek?

Everything different.

But can every human allow themselves not to be afraid?

Of people attacking them for the way they look? Can they be an open book when they have to check every nook for enemies before they speak the truth?

Can they trust their own country’s safety system?

When we’ve seen other nations turn on their own residents because they can’t shake off all the hate and insanity and cruelty from more than 100 years ago.

Because they don’t care that they have soul, a family, a name.

All they want is see that flame burning and still feel no shame.

Like

“Oh we were taught to hate your people, it’s not our fault”

Or

“Well if you didn’t want to get shot, why did you wear a hoody?”

Everything different.

So many people talking about this new stage and how they have a lot on their plate and how desperately they’re trying to find their soulmate.

But guess what?

Every 10 seconds a child dies of hunger.

1 in 3 women is sexually harassed or raped globally.

Over 300 people of color were shot by the American police in 2019 alone.

Everything different.

But is it?

Because I am wondering when everything will be different.

Alles Anders 

Das Alltagsleben ist        ein langes Einschlaflied. 

Die gleichen Tage sind es,        die wir wie Schafe zähln': 

Ein Tag gleicht dem nächsten,        das macht uns immer träger, 

bis wir, im Schlummer schon,        nur fern noch hörn' die Strophen. 

 

Doch unerwartet werden wir        von schiefen Noten aufgeweckt, 

Das Lied, das wir einst kannten,        erklingt in neuem Ton. 

So sind wir aus dem Schlaf geschreckt,        und stellen fest: alles anders. 

Was Teil des ewigen Liedes war,        ist nun anders, alles anders. 

 

Die Sonne scheint,        die Welt doch grau. 

Verträumt seh' ich        aus verleidetem Fenster, 

versuch verzweifelt,        mich zu erinnern, 

was vor Sommern        noch gewesen, 

wie mir das Eis        auf der Zunge zerschmolz, 

wie meine Freunde        sich noch mit mir trafen, 

was die Worte waren der Strophen,        bevor der neue Teil brach an. 

 

Der Lehrer spricht,        tat er es auch einst        gegen die redenden Schüler an, 

versucht er nun,        man glaubte es kaum,        die Stille zu übertönen. 

Elend gerahmt geht der Unterricht;        wie eine Fremdsprache üben wir:         "Inzidenzwert!  Mutationsgebiet!" 

und lernen die Worte von dieser Strophe. 

Übereinander liegen die Seiten,        im verhassten Viereck         wie auf dem Schreibtisch, 

sodass ich denke, flehentlich:        Wann kann ich wieder zur Schule gehn?        Einst war dieser  Wunsch absurd. 

 

Doch endlich, dann,       zum Abend hin, 

das Chaos wird        nun abgelöst 

von täglichen Versen        der Tagesschau, 

wo sie immer         das Selbe sagen. 

Doch ihr Gedudel        macht uns müde, 

unter dunkler        Musik versinken 

wir in düsteren Traum,        in schleichenden Schlaf. 

 

Sagte ich etwa:        alles anders? 

Die Tage sind nun        elendig gleich, 

gleicher noch        als vor dem Wandel, 

und in Albtraum verfallend        wünschen wir, 

dass das traurige Lied        wieder fröhlich wird. 

 

Da siechen wir nun        erschöpft vor uns hin, 

denn was uns Mensch macht,        ward uns genommen. 

Und trotzdem sind wir        noch immer Mensch, 

das hat sich nicht geändert. 

Es ist nicht alles anders. 

Für bessere Lesbarkeit und Formatierung: Angelina-Wehner_Alles Anders

 

Alles anderes

Legende: > leiser werden >> noch leiser werden .. im Prinzip wie … bloß weniger nachdenklich, eher der
Prozess wenn man Wörter ausklingen lässt * * Onomatopoesie es gibt auch ein paar Neologismen Aussprache der
Gemeinschaft Aussprache des Ich-Erzählers Aussprache von Ros-Marie
Bitte in Farbe lesen! (Es kann schon so leicht verwirrend sein.)

 

Ich lebte einmal in einer Welt, wo kein Tag dem anderen glich. Nichts war gleich, immer
war alles anders.
Wie genau?- das weiß ich nicht, ich habe keine Erinnerungen mehr daran. Ich bin mir nur
sicher, dass ich irgendwann mal in einer Welt lebte, die nicht so repetitiv wie diese ist.
Wo ist sie nur hin?
Aufstehen. Tap tap. Frühstücken. Anziehen. Tap tap tap. Die verdorrten Blumen gießen. Tap
Tap. Text schreiben. Raus in den Garten gehen. Mit Ros-Marie reden. Schwarz.
Aufstehen. Tap tap. Frühstücken. Anziehen. Tap tap tap. Die verdorrten Blumen gießen. Tap
Tap. Text schreiben. Raus in den Garten gehen. Mit Ros-Marie reden. Schwarz.
Aufstehen. Tap tap. Frühstücken. Anziehen. Tap tap tap. Die verdorrten Blumen gießen. Tap
Tap. Text schreiben. Raus in den Garten gehen. Mit Ros-Marie reden. Schwarz.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------
„ Oh, jetzt ist ja alles wieder ganz anders; jetzt nach der Wende!“-
„Ja,sicher“, sagen, mit dem Kopf nicken . Hahhhm… .. Wie können die anderen denn
wissen, was wahre Veränderung ist? Die, die niemals in der anderen Welt lebten?
Da kann ich nichts anderes tun, als nett zu nicken und zu zustimmen, selbst wenn ich
innerlich schreien mag:“ Diese Wende ist genauso, wie all die anderen: kleine Details
ändern sich, aber schlussendlich ist jeder Tag wie der andere; > nie ist alles anders.. >>nie..

Hmmfffff.. ...
Dieser Tag wird genauso, wie alle anderen sein. Ich will gar nicht aus dem Bett.
Aber was bleibt mir anderes übrig in dieser Welt, wo alles immer gleich abläuft? Egal wie
sehr ich mich weigere: die Hauptaufgaben werden immer so sein: Aufstehen, Frühstücken,
Anziehen, Gießen, Schreiben, Gehen, Reden, Schwarz.
Aufgestanden bin ich schon, irgendwie werde ich wohl auch essen, vielleicht kommt Betty
vorbei - einer ihrer Hauptaufgaben ist es, jemanden was zum Essen zu bringen und weil
ich nicht unhöflich bin, kann ich nicht absagen. Ich könnte versuchen nicht in den Garten zu
gehen, doch dann fliegt vielleicht der Tee Kessel aus dem Fenster und den kann ich nicht
einfach alleine im Garten lassen, drum muss auch dort hingehen.
Eines Tages habe ich mich sogar in meinem Haus verbarrikadiert und dann ist Ros-Marie
einfach durch den Schornstein gekommen hahahh . Hmmm es scheint, als könnte ich dieser
Ordnung nie mehr entkommen.
Also bleibt mir nichts übrig: Ich gehe frühstücken, ziehe mich an. Auf dem Weg zu dem
Rosengarten kicke ich den Stein, welcher wieder am exakten Ort, wie davor daliegt (das ist
Bernds Aufgabe), ein paar Meter weiter, zwei Meter weiter als gestern, aber 30 cm weniger
weiter als vorgestern vor mich hin, vor mir her.
Der Rosengarten hat jeden Tag verdorrte Blumen, ich gieße sie jeden Tag. Früher waren es
mal Eichen, - vor der Wende.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Worüber schreibe ich heute meinen Text, vielleicht wie Blätter jeden Tag die gleiche
Melodie rauschen? Oder habe ich darüber schon geschrieben? Ich weiß es nicht mehr.
Aber das ist ja auch egal.. … Oder vielleicht doch nicht?
Nun gut, ich werde darüber schreiben, wie meine Tinte vertrocknet, darüber habe ich sicher
noch nicht geschrieben.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Tap tap tap, Staub wirbelt auf. Die Rosen sind erblüht und strahlen rot. Ein riesiges Meer
von roter Pracht beim Sonnenuntergang.
Doch ich sehe nur die Blumen, welche heute Mittag noch verdorrt waren. Wie prächtig sie
doch aussehen. Die anderen? Ich nehme sie nicht wirklich war. Warum nur? Hmfff...
Warum nehme ich die älteren niemals wirklich war? Sind die Taten von Gestern
bedeutungslos im Augenschein von Heute; weil sie (die Taten) alle doch irgendwie gleich
sind?
...Warum fällt mir das erst jetzt auf?
Das Letzte was ich tun muss, bevor es schwarz wird, ist mit Ros-Marie zu reden. Wenn ich
das nicht tu, - wenn ich all meine Aufgaben nicht tu -, wird es niemals schwarz werden,
nicht für mich und nicht für die anderen Leute.
Aber muss es den schwarz werden, wenn binnen Sekunden der Kreis wieder von vorne
anfängt?
Darüber kann mit Ros-Marie nicht reden. Keiner würde die Einsamkeit einer Person teilen
können, die einmal wirklich jeden Tag anderes erlebte. Dort war alles anders, hier ist alles
gleich.
„Hallo, ich wartete auf dich.“ Was sollst du auch sonst tun, in einer Welt, wo alles gleich ist?
„Hier ist eine Tasse Tee. * nipp *“ „ Dankeschön“- Was bleibt mir den auch anderes übrig.
„Die Blumen wachsen heute wirklich wunderbar.“ Sie wachsen jeden Tag gleich.. „Ja, du
hast vollkommen recht.“
„ Also... glaubst du, dass die Zellen auf deiner Haut einfrieren können, wenn es zu kalt ist
und deswegen die Haut so rau wird?“... „ich habe gelesen, dass dies deshalb so ist, weil *
nipp * die Fettdrüsen bei unter acht Graf kein Fett mehr produzieren.“ „Aber warum nur?“
„Enzyme?, ich habe letztens etwas über sie gelesen (...)“ Natürlich last du etwas, dass ist ja
schließlich einer deiner Aufgaben.
„Hmm, heute ist wirklich ein anderer Tag“ „Wieso?“ „ Das ist das erste mal, dass wir über
das gleiche Thema sprechen und zusätzlich sagst du viel weniger“ „Hm kann sein“ „ Da ist
sie schon wider: diese Teilnahmslosigkeit“ Meine Augen und Augenbrauen spannen sich
etwas an, meine Lippen werden etwas schmaler. „ hmhm“ „Nein sie doch, normalerweise
bist du nicht so gereizt. Ich würde sogar heute soweit gehen, dass ich sage, heute ist alles
anderes!“ Ganz ruhig sein, ganz ruhig..
„ ÜBERHAUPT NICHTS IST ANDERES, JEDER TAG IST GLEICH, DU WEIST DOCH
ÜBERHAUPT NICHT WAS WAHRE ANDERSKEIT IST, DU, WELCHE IN EINER
WELT DER EWIGEN REPETITION LEBT!!!!!“
„ Hm? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht in einer ewig repetitiven Welt lebe. Jeder
Tag ist anderes“ lächerlich, wie sie das denkt, dabei weiss sie ja gar nicht, was ich einmal
erlebte.
„ * belustigtes lächeln * Ach ja, wie unterschied sich den dein Tag von all den anderen?
Hm?“ „ Nun, das ist einfach zu erklären, auch wenn sich manche Sachen überlappten,
bekam ich heute aber doch einen einbisschen schöneren Blumenstrauß“ „Aber du bekommst
doch jeden Tag einen Blumenstrauß!“ „ Aber ich bekam noch nie sooo einen schönen“ „ *
ein und aus atmen * nun gut, aber das alleine macht den Tag nicht anderes. * Arme
verschränken * “
„ Nun, ich las heute etwas über Enzyme, das habe ich noch nie gemacht, du warst heute so
anderes, die Blumen wuchsen anders, Die Vögel zwitscherten etwas lieblicher, du bist etwas
ehrlicher.. Und unser Gespräch ist interessant“ „ Sagst du mir etwa, dass ich langweilig
bin?“ „ * nip * Das - habe ich nie gesagt, du wolltest nur nie über solche Themen reden, wie
die Anderskeit. folglich ist es interessanter“ Was soll ich den auch mit jemanden, wie dir
darüber reden; du verstehst es doch nicht; du sagst hier bloß etwas von läppischen kleinen
Unterschieden, die überhaupt nicht zur Anderskeit gehören, sie (die Unterschiede) waren
nicht wie in dieser Welt - die ich einst erfuhr oder zu erfahren glaubte.
„ Das zählt nicht, dass sind nur deine eigenen Gefühlen zu immer gleichen Sachen, das ist
nicht wirklich anders, dass…“
„Was ist den sonst etwas Anderes ?“ „ Das ist, das ist.. Du kriegst immer noch jeden Kreis
einen Blumenstrauß, jeden Kreis redest du mit mir, das ist alles gleich,- alles sinnlos“
„ Hier, trink diese Tasse Tee“ kühler, aromatischer Tee umgibt meine Zunge und ich
schlucke. „ Und diese.“ Ich spucke den Tee aus, meine Zunge brennt, das ist wahrlich
ungenießbar, diese Hitze „ Was ist?, das waren doch beides nur eine Tasse Tee, oder etwa
nicht?; beide hatten eine Temperatur, der Unterschied ist irrelevant, ebenso wie Sensationen,
als du sie trankst. Also trink!“ „ Du bist verrüc…“ - - -! Bin ich verrückt, meinen eigenes
Gedankenmuster?; ist vielleicht - doch nicht alles gleich ? - Nein, ich muss noch einen
Versuch wagen, mich bestimmen, bestimmen, dass diese Welt immer gleich ist. Wahrlich,
ich will diesen Gedanken bei mir waren!
Ich, Ich * Hysterie wird stärker* „ Wir, wir, wir machen jeden Kreis das gleiche sinnlose
Zeug, welches immer, immer gleich ist!“ „Wir wählen unsere Aufgaben selber, somit auch
denen Kreis, sie machen für uns Sinn,- oder Spaß.“ „ Was für einen Sinn macht es denn,
Steine an ein und den selben Ort, jeden Tag zu legen?“ „ Für ihn macht es Sinn, er liebt die
Ordnung, selbst die kleinste Veränderung ist ein komplett anderes Frevel für in.“ Woher
weiß sie, über wen ich spreche? Sie kann über ihn nichts wissen, ebenso wie sie über die
wahre Anderskeit nichts weiß. Oder bin ich die, die falsch liegt?
„Nein, nein dass kann nicht sein, wo anders ist es alles anders, jeder Tag anders. Ich weiß
es, so glaub mir doch. Bitte!“ Ich kann die Tränen nicht stoppen, sie fließen einfach zu
zahlreich, zu andres, so, wie sie es noch nie taten.
„Ich glaube, du verstehst nicht recht, die Welt an sich - sie kann so verschieden und so
gleich sein, wie sie will - du wirst sie dennoch so sehen, wie du sie sehen willst. Verstehst
du nicht, dass die Welt für dich so gleich ist, weil du sie so gleich sehen willst? Du bist
deine eigene Gleichheit, deine eigene Sinnlosigkeit.“
Nein, das kann ich sein, warum sagt sie das, was ich so sehr versuchte zu verbergen. - Warte
– Fürchtete ich mich etwa vor meinem eigenen Ideal, war die Welt in der ich einmal lebte,
diese Welt hier, nur als ich eine andere war?
Stimmt es was sie sagte ? Es scheint als ob… Ich tatsächlich für mein eigenes Leiden
verantwortlich wäre.
Das alles wird zu viel, ich muss..
Ahhhhh Hilfe was soll ich nur tun?!
Ros-Marie steht auf ( und beendet somit das Gespräch).
Es wird Schwarz.

Bevor ich meinen Schlüssel aus der Jackentasche krame, hole ich tief Luft, um mich mental auf meine Mutter vorzubereiten.
Lächeln, Martina, lächeln. Der Spaziergang hat super Spaß gemacht und du freust dich auf das Abendessen.
Ich komme rein und meine Mutter motzt mich wie erwartet aus der Küche an. Auf ihr genervtes „Wo warst du denn“ hin antworte ich wie geübt. Dass der Spaziergang nur eine Ausrede ist, um eine Stunde am Tag mal von hier wegzukommen, muss sie ja nicht wissen.
Und tatsächlich geht es mir besser, sogar so gut, dass ich die Motivation dazu spüre, mal wieder Sport zu machen. In den letzten Wochen hatte ich das immer mit der Begründung verdrängt, dass ich innerhalb der nächsten Monate sowieso nicht ins Training gehen kann – aber nicht heute. Heute bin ich motiviert.
Ich mache also laute Musik in meinem Zimmer an, während ich versuche, einer YouTuberin bei ihrem Workout zu folgen. Gerade als ich verwundert darüber bin, dass ich noch zehn Liegestütze schaffe –
„Bang!“
Erschrocken drehe ich mich um, und beobachte, wie sich mein Dachfenster in immer kleiner werdende Bruchteile zersplittert.
Was zur Hölle???
Meine Laune wandelt sich innerhalb der nächsten Sekunden ruckartig von erschrocken zu genervt. Warum muss mir jetzt so eine scheiße passieren? Mein Fenster geht einfach so, ohne Grund, kaputt. So unnötig.
Und während nun die kalte Luft in mein Zimmer strömt, werde ich nachdenklich. Etwas wird mir aus dem nichts weggenommen, klingt nach etwas, was ich im letzten Jahr erlebt habe. Mein Leben lief PERFEKT, bis die Corona Pandemie angefangen hat: Sie hat mir so ziemlich ein ganzes Jahr meiner Jugend weggenommen, und zu Ende ist sie definitiv noch nicht.
Abends am Esstisch heißt es von meinem Vater, er habe einen Handwerker kontaktiert, und er würde irgendwann mal kommen, um ein neues Glas zu installieren. Genauso wie jeder mir Hoffnungen machen will, dass Corona ja irgendwann mal vorbei sein wird. Bringt mir aber nicht viel, wenn ich nicht weiß wann das ist.
Aus meinen Gedanken reißt mich mein Klingelton: Es ist nicht der spezielle Ton für meine Freunde, also muss mich jemand random angerufen ha ben. Ich gehe an mein Handy und lese: Kilian Korlevic.
Der größte F*ck Boy den ich kenne. Was will der denn?
„Hey babe“, spricht seine schöne Stimme, die ich doch so sehr hasse, aus meinem Handy. „Meine Eltern sind das Wochenende weg, also gibts ne kleine Party bei mir. Komm gerne vorbei, freue mich schon auf dich!“
Bevor ich mich beschweren kann, dass wir gerade einen bundesweiten LOCKDOWN haben, legt er auf. Mal wieder typisch Kilian. Hauptsache ER hat Spaß. Außerdem habe ich nicht mal zugesagt, wie kann er denn davon ausgehen, dass ich kommen werde?
Ich könnte ihn einfach ignorieren – er hat doch so viele Mädchen, dass es ihm sowieso nicht auffallen würde, wenn ich nicht komme. Aber wenn ich wieder an mein kaputtes Fenster denke – Ich will hier weg.
Also erzähle ich meinen Eltern schnell, ich würde heute bei Natalie übernachten, und rufe sie auf dem Weg zu ihr an. Ich vertraue einfach mal darauf, dass sie was passendes zum anziehen hat – wobei ich auch keine Ahnung habe, was man bei so einer Party denn anzieht.
Natalie enttäuscht mich nicht: 15 Minuten in ihrem Zimmer verbracht und schon finde ich mich in einem lavenderfarbenem, hautengem, und vor allem KURZEM Kleid wieder. Also wenn mir heute Abend etwas aus der Hand fallen sollte, werde ich es wohl nicht aufheben.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht auf diese Party freue. Seit zwei Monaten habe ich keinen meiner Freunde mehr getroffen, also wird es ganz cool, mal wieder eine real life Konversation zu führen, wo ich nicht nur auf bunte Pixel auf einem Bildschirm starre. Während ich mir noch ausmale, wer denn alles kommen wird und was wir machen werden, gibt mir der erste Blick in Kilians Wohnzimmer schon die Antwort darauf:
Wir werden trinken. VIEL trinken. Ich sehe so viele Flaschen Alkohol, wie ich noch nie in meinem Leben auf einem Fleck gesehen habe. Rosafarbene, hübsche, einladende Sektflaschen, und dunkelgrüne, nach Desinfektionsmittel stinkende Liqörflaschen. Auf dem zweiten Blick entdecke ich noch mehr Sachen, von denen ich mich bisher eher fernhielt. Ich sehe Emily, eine Freundin, die ich vom Training kenne, mit kleinen, weißen Pillen in der Hand auf der Couch sitzen. Sie sehen aus wie die Schmerztabletten, die ich nehme, wenn ich meine Tage habe. Aber dieses ganze Setting sagt mir, dass das leider keine Schmerztabletten sind. Neben ihr sitzt David, mit einem braunen Metallgestell zwischen den beiden. Gerade als ich so faziniert von dem bunten Rauch bin, der aus seinem Mund strömt –
„Martinaaa!“, schreit Kilian mich an und gibt mir eine viel zu feste Umarmung.
Gott, wann hat mich das letzte mal jemand umarmt?
Ich überfliege kurz den ganzen Raum, und zähle etwa zwanzig Leute, alle etwa in meinem Alter.
Für sowas halte ich mich an den Lockdown? Dafür verzichte ich auf mein soziales Leben? Damit andere solche Partys feiern können?
In mir kommt das Verlangen hoch, mich einfach umzudrehen und wieder zu gehen. Ich habe mich immer beschwert und bin genervt gewesen, wenn ich mitbekommen habe, dass andere sich nicht an die Lockdown Regeln halten. Vielleicht war es Eifersucht – denn sie schienen Spaß zu haben, während ich allein zuhause saß. Jedenfalls wäre es jetzt aber die größte Doppelmoral, wenn ich hier bleiben würde. Ich würde genau das machen, worüber ich mich bei anderen Leuten in den letzten drei Monaten beschwert habe.
„Du bist ja die Letzte, die ich hier erwartet hätte“, erklingt Timos Stimme hinter mir.
Timo ist hier??? Der verantwortungsvollste und motivierteste Typ, den ich kenne?
„Das kann ich nur zurückgeben“, entgegne ich also. „Von dir hätte ich erwartet, dass du drei neue Hobbys angefangen, ne neue Sprache gelernt und nebenbei noch n eigenes Buch verfasst hast.“
„Hey, zu meiner Verteidigung“, lächelt er verlegen, „Im ersten Lockdown hab ich tatsächlich kochen gelernt und mit nem Online Französisch-Kurs angefangen.“
„So kenn ich dich doch“, entgegne ich, doch mein verwirrter Blick schreit wohl nach einer Erklärung dafür, wie er denn nun hier gelandet ist.
„Das hat ja alles am Anfang Spaß gemacht. Aber irgendwann mal hab ich die ganze Motivation dafür, motiviert zu sein, einfach verloren. Ich hatte keinen Bock mehr drauf, motiviert zu sein, verstehst du was ich meine?“
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und signalisiere ihm damit, dass er wohl mit seiner Erklärung fortfahren muss.
„War ja klar, dass Miss Das -Leben-Ist-So-Toll-Und-Ich-Bin-So-Glücklich das nicht verstehen würde“, verdreht Timo seine Augen. „Aber du kannst mir doch nicht sagen, dass du das ganze letzte Jahr nicht einmal dran gezweifelt hast, was der Sinn des Ganzen ist, was du noch machst? Zum Beispiel, was hast du denn so während Quarantäne gemacht?“
„Ich habe mir mal Gedanken über meine Zukunft gemacht“, sage ich nach kurzem Überlegen. „Mussten vor kurzem unsere LKs wählen, und da hab ich mich auch mal in verschiedene Studiengänge und sowas reingelesen.“
Aus seinem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass er sich gerade sehr stark bemüht, nicht laut loszulachen. „Über deine Zukunft nachgedacht, das ist ja süß“, sagt er schließlich. „Und? Zu welchem Schluss bist du gekommen? Dass es eine Depression in der Wirtschaft für die nächsten fünf Jahre geben wird, dass Studieren momentan sowieso scheiße ist, weil alles online stattfindet, oder dass dein Plan, ein Gap Year zu machen wegen dem Reiseverbot auch nicht mehr funktionieren wird?“
„Ich –“
„Oh warte, ich erinnere mich. Du hast doch immer davon geträumt, Pilotin zu werden. Hab ich schon erwähnt, dass so ungefähr ALLE Piloten jetzt arbeitslos sind? Dass nirgends mehr Ausbildungsplätze angeboten werden? Dass die ganze Branche so ziemlich am Arsch ist?“
Während ich versuche, meine plötzlich hochgekommene Panik vor Timo zu verstecken, fliegen mir tausend Gedanken durch den Kopf.
Denk an was positives, Martina. Timo mag gerade ziemlich hoffnungslos sein, aber DU kannst ihn doch bestimmt vom Gegenteil überzeugen. Los!!!
„Hey, man muss das ja alles nicht soo negativ sehen“, starte ich einen zögerlichen Versuch. „Du musst ja nicht direkt von IMMER sprechen. Corona wird doch bestimmt irgendwann mal –“
Ich höre auf zu reden. Ich HASSE eigentlich diese Wörter. Hasse, hasse, HASSE sie.
Vielleicht hat Timo recht. Es bringt nichts, diese Situation irgendwie schön zu reden. Was soll ich schon für meine Zukunft planen, wenn die Zukunft gefühlt nicht mehr existiert?
Der Raum vor mir verschwimmt ein wenig.
„Okay, das war vielleicht alles ein bisschen zu viel. Aber wie wärs denn, wenn wir heute Abend einfach mal alles vergessen? Ich bring dich später auch nach Hause. Dann können wir da liegen, und uns die Sterne anschauen – ich bin immer noch neidisch auf deine Dachfenster. Drink?“
Sterne. Fenster. Nein. Bitte nicht das noch.
Ich gebe meinen letzten Widerstand auf. Zitternd nehme ich das Getränk an, was Timo mir in die Hand drückt. Was auch immer das sein mag – ich trinke das Glas in einem Zug aus.
Einfach. Alles. Vergessen.

Ich bin Draußen, in einem Park, lache mit den Menschen, die mir wichtig sind. Ich fühle mich unbeschwert, fast schon unantastbar. Ich verfolge Ziele und habe Wünsche. Ich fühle alles, was um mich herum geschieht. Ich bin lebendig, aber plötzlich ist alles anders, alles ist Weg. Ich bin in einer neuen Welt, einer Welt die verkehrt ist und mir angst macht. 

Ich starre nachts aus dem Fenster, und stelle mir immer vor wie die Zeit an mir vorbeizieht. In einem Moment erblicke ich die Sonne, wie sie den Tieren kraft und der Natur Farbe schenkt, alles lebt bis es auf einmal alles verblast. Ich blinzle, was ist passiert. Ich liege in meinem Bett. Meine Füße frieren.  Als ich sie sanft aneinander reibe, schwimmt eine vage Erinnerung an die Oberfläche meines Bewusstseins. Ich lächle ohne ein Gefühl zu verspüren, ohne zu wissen wieso. 

Ich versuche mich an meine Vergangenheit erinnern. Wie war es damals? Als ob es schon Ewigkeiten her sei. Etwas hat sich um meine Seele gelegt, ihr alle Farben entzogen und meinen Gefühlen die Lautstärke abgedreht. Ich weiß nicht mehr was es bedeutet zu leben. Ich versuche mich über kleine Dinge zu freuen, wie einen warmen Kakao zu trinken, aber die Stimmen in meinem Kopf flüstern mir zu, dass alles sinnlos sei. Ich bin wie betäubt und erlebe alles aus der dritten Perspektive, es ist komisch mir selbst zu zuschauen, aber jeder einzelne Moment verblasst. 

 Manchmal ist es in mir so still, einfach nichts mehr. Nicht mal Leere. Ich kann mich selbst nicht spüren. Wie eine leere Hülle, eines Schmetterlings, der sich aus seinem Kokon befreit, in die Freiheit fliegt, und ihn in der Dunkelheit zurücklässt. Die Zeit zieht an mir vorbei, als fiel ich aus ihr heraus. Ich glaube nicht mal, dass sie mich vermisst. Ich existiere, ohne einen Wunsch außer mich selbst verschwinden zulassen.  Alles ist taub. Gefangen.  

Eines Abends ging ich ins Bad, wie immer war es dunkel, etwas funkelte. Eine klinge, ich starrte sie einfach an, während das Wasser weiter meinen Nacken herunterfloss. Ich sollte aufstehen, das Licht anmachen mich abtrocknen und schlafen, ich schaffe es nicht. Ich nahm die klinge in die Hand. Ich weiß nicht wer ich bin und will nicht so sein. Ich zog die schöne, scharfe Klinge über meine nasse Haut. Das Gefühl, unbeschreiblich. Es versetzt mich zurück in die Realität, als sei ich die ganze Zeit Unterwasser gefangen gewesen. Ich kann wieder aufatmen. Ich fühle mich befreit.  Es blutet und ich Lebe. Die Stimmen in meinem Kopf verlangen nun jeden Tag nach Schmerz. Ich will leben, aber der Schmerz ist eine Sucht, ein unersättliches Verlangen. 

 Ich schließe meine Augen, warte darauf, dass der schöne Schlaf mich erlöst, aber meine Gedanken, sie hören nicht auf, sie sind einfach zu laut. Zu laut für meinen Kopf. Es ist wie ein Universum, was jeden Moment droht zu implodieren. Ich will wieder weinen können und glücklich sein, dass die Welt ein Sinn ergibt. Der Schmerz gibt mir, nur für einen kleinen Augenblick, das Gefühl wieder lebendig zu sein.  Doch die Welt tut das nicht. Sie ergibt keinen Sinn. Auf jeden Tag folgt ein noch elendiger. Wir Menschen sind alle der Schlinge des Universums, der Gesellschaft ausgesetzt, trotzdem verstehe ich nichts. Mein Kopf ist zu voll, zu voll um zu denken, um zu verstehen. Warum habe ich ein Bewusstsein, wenn ich eh nur in ihm gefangen bin? 

Ich werde gefragt wie die Schule war. Ich überlege, erinnere mich kaum. Stumm fließt jeder Tag an mir vorbei, ein endloser Wirbel, ein schwarzer Schatten, der mich verfolgt. Immer sind es dieselben Gespräche, dieselben bösen Gedanken. Wann ist es endlich vorbei?  Ich fühle mich aufbrausend und im nächsten Moment leise, unberechenbar eben. Meine Gedankengänge, das reinste Chaos, komplett durcheinander. Keiner schenkt mir Aufmerksamkeit, ich bin alleine. Ich werde nur dumm angestarrt und es ist nicht mal frustrierend. Es ist alles gleichgültig. Egal was ich für die Menschen tue, keiner weiß es Wert zu schätzen. Ich bin ein nichts, ein niemand. Werde ich jemals akzeptiert? Kann ich mich jemals wieder besser fühlen? 

 Ich sehe wie sich ein man morgens auf dem Weg zur Schule aus einem Hochhaus stürzt. Ich schaue mir seinen leblosen, entstellten Körper an. Ich spüre nichts, wie ein krankhaft gestörter starre ich ihn an, dringe in seine Seele ein. Er schrie nicht, als er sprang. War er glücklich, als er starb?  Ist der Tod die Erlösung, um ewig frei zu sein? Ist es das, wonach ich mich sehne? 

Ich rede nur noch mit mir selbst, jedes Lachen ist gestellt, es soll nicht auffallen. Ich funktioniere, das  einzige was zählt. Alles nur gespielt, alles nur falsch. 7 Milliarden Leben wandeln auf Erden, also wie besonders kann meins schon werden?  Keiner hat mich gefragt, ob ich geboren werden will, weder Ziele noch Wünsche. Warum? Ich denke nach, streiche über meine rauen Finger. Sind sie noch da, wo ich bin? Depression ist wie eine unheilbringende Wolke, die einen verschling, die einem alles raubt. Sie verfolgt einen, bis man verschwindet. Sie trübt meinen Tag, lässt ihn in Dunkelheit hüllen. Depression kann durch Schmerz für einen kurzen Moment verdrängt werden, doch sie ist leider zuverlässig und kehrt immer wieder zurück. 

etwas, das sich wie aus einem anderen leben anfühlt  

 

wenn ich nach hause komme, ist die luft in meinem zimmer dünner. vor allem dann, wenn die musik mich nicht mehr so berührt, wie sie es gestern getan hat und meinen kopf gedanken füllen, die ich noch nicht ganz begreifen kann, weil ich es mir noch leisten kann, nicht nach ihnen zu greifen.  

das haar, das sonnenstrahlen einzufangen schien ist kürzer. die locken haben sich aus dem strengen zopf gelöst und ihr gesicht umrahmt jetzt ein pony, das immer da zu sein schien. ich weiß gar nicht mehr, wie sie ohne aussah.  

seine blicke sind abweisender, wenn er geht, dreht er sich noch immer nicht um und die distanz zu manchen menschen wird von erinnerungen gefüllt, die nicht schön genug sind, um sie zu  überbrücken, aber ich, wenn ich zurückblicke trotzdem noch in ein warmes licht tauche.  

meine nostalgie ist von einer tragischeren schönheit und dort wo sie ein lächeln in mein gesicht gezaubert hat, füllt sie meine augen nun mit tränen. 

meine ängste sind andere, von denen meine wünsche manchmal gar nicht zu unterscheiden sind, und wenn ich nach der schule nach hause komme, atme ich erleichtert aus, aber ich merke, dass die luft in meinem zimmer dünner ist. vorallem wenn mich die musik nicht mehr so berührt, wie sie es gestern getan hat, ich nicht nach den gedanken greifen will, die versuchen meine zukunft zu illustrieren und mich, mit einem klos im hals, an das erinnere, was mal war.  

alles ist anders und hebt sich von dem was mal war ab. langsam, schleichend. so dass ich es zuerst nicht bemerke, bis ich plötzlich die augen aufschlage und mich im vorgestern nicht wiedererkenne, weil mich ihre musik nicht mehr berührt und die gefühle und gesichter, die meine welt füllen, nun andere sind. 

Alles anders 

Plötzlich war alles anders. 

Als du langsam immer mehr und mehr vergessen hast.  

Da wurde aus „du bist meine Enkelin“, „sind Sie meine Ärztin?“. 

Du warst die Oma, die jedes nur erdenkbare Gedicht auswendig konnte, die Oma die uns Kindern die russische Literatur beibrachte, schließlich warst du Lehrerin und wolltest dein Wissen unbedingt weitergeben. 

Doch dann kam der Sommer 2019. Hätte ich nur gewusst, dass es unser letztes Treffen ist, hätte ich wohl einiges anders gemacht... 

Wir sprachen miteinander und es war alles anders, du hast mich kaum erkannt, aufgrund deiner Demenz.  

Diese gottverdammte Demenz. 

Die Krankheit schritt fort und damit auch du. 

 

Doch einem bliebst du für immer treu, bis zu deinem letzten Tag; deinen Händen. 

Diese Hände die mich in meine Wange gekniffen haben, wenn wir uns sahen. Diese Hände, die meine gehalten haben - Sie strahlen solch eine Wärme aus. 

Es ist die Wärme, welche ich bis heute in meinem Herzen trage.  

 

Wie gerne ich dir meine Erfolge in Russisch zeigen will. 

Ich weiß ganz genau, wie sehr du dich freuen würdest, denn du hast das erreicht was du so sehr wolltest: 

Ich habe meine Muttersprache beibehalten.  

Du hast mir so sehr in meinem Leben weiter geholfen und mich so vielen Dingen gelehrt. Deswegen will ich einfach nur zum Telefon greifen und dir alles Neue aus meinem Leben erzählen. Ich will dich wieder lachen und strahlen sehen. 

 

Doch seit dem 26.10.2020 ist alles anders. 

Du bist nicht mehr da, doch deine Hände sind noch immer in meinen Erinnerungen - DU bist in meinen Erinnerungen und dein Lächeln ist auf alle Ewigkeit in meinem Kopf eingebrannt. 

Es ist zwar nun alles anders, aber du bleibst gleich.  

Du bist und bleibst die gute Laune Oma. Du bist und bleibst die Oma, die jeden mit offenen Armen empfängt und jeden willkommen heißt. 

Klar ist jetzt alles anders, aber meine Liebe zu dir bleibt für immer gleich. 

Zur gleichen Zeit   

Wie jeden Abend saß Maia an ihrem Fenster. Schon im Pyjama, in eine Decke gekuschelt und eine Tasse Tee in der Hand, sah sie in den Nachthimmel, der sich über die Hochhäuser streckte. Sie hoffte, dieses Mal die Sterne strahlen zu sehen, doch wie üblich wurde sie enttäuscht. Die Lichter der Stadt überstrahlten die Sterne bei weitem und das einzige, was sie hell und klar am Himmel sah, war der Mond. Manchmal wünschte sie sich, an einem anderen Ort zu leben. Sie wusste nicht, wohin sie gehen würde, wenn sie die Möglichkeit hätte. Doch dort, wo auch immer es war, sollte die Nacht dunkel bleiben. Dann könnte sie jede Nacht rausgehen und die Sterne zählen.  

Maia konnte schon vor ihrem inneren Auge die leuchtenden Lichter am Himmel sehen. Sie trank einen Schluck Tee und war ganz in ihre kleine Wunschwelt versunken, bis sie ein lautes Hupen zusammenzucken ließ. Wo auch immer dieser Ort war, dort sollte es ruhig sein, stellte sie fest. So leise, dass man sogar die Blätter im Wind rascheln hören konnte. Und es wäre toll, wenn man jeden kennen würde, dachte sie weiter. Wenn man sich mit jedem unterhalten könnte, jeder einen fragt, wie es einem geht, was man so macht. Maia seufzte.  

So einen Ort gab es wahrscheinlich heutzutage nicht mehr. Überall fuhren Autos und sie kannte ja nicht einmal die Namen ihrer NachbarnSie seufzte noch einmal und sah wieder in den Himmel. Wie zu erwarten war, konnte sie immer noch nur wenige Sterne sehen. Sie trank noch einen Schluck Tee.  

Sie wollte gerade aufstehen und ins Bett gehen, da sah sie am Himmel eine Sternschnuppe aufblitzen. Sie leuchtete viel heller als die restlichen Sterne und strahlte heller als die grellen Lichter der Stadt, war jedoch nach einer Sekunde wieder verschwunden. „ Eine Sternschnuppe…“, flüsterte Maia. Sie grinste. Sie schloss die Augen ganz fest und wünschte sich etwas: Sie wünschte sich, an einen Ort zu kommen, der so anders war als dieser. Einen Ort, von dem sie hier nur träumen konnte. Sie öffnete die Augen und ließ ihren Blick über die Hochhäuser gleiten. Dann wandte sich ab und ging ins Bett. 

 

Zur gleichen Zeit, an einem anderen, weitentfernten Ort, saß Cecilia auf dem Dach ihres Hauses und starrte in den Himmel hinauf. Eigentlich durfte sie das nicht, da sie runterfallen könnte, doch das war ihr egal. Cecilia strich ihre Haare zurück, seufzte und blickte über die Dächer des kleinen Dorfes, das sie ihr Zuhause nannte. Es war ein so kleines Dorf, dass es fast auf keiner Karte verzeichnet war. Immer wenn Reisende sich dorthin verirrten, waren sie ganz überrascht und blieben ein paar Tage, um die Ruhe dort zu genießen. Die Ruhe, die Cecilia kaum noch aushalten konnte.  

Oft überlegte sie, wie es wäre, wenn sie heimlich den Reisenden folgen würde. Oft stellte sie sich vor, wie sie in einer großen Stadt ankommen würde, all die neuen Gesichter, die sie sehen könnte. Ein Ort an dem niemand sie kannte, an dem jeder sie in Ruhe lassen würde. Das klang wie ein unerreichbarer Traum. Sie blickte wieder zu den Sternen. Sie waren so klar und hell, als wäre jeder ein eigener Mond. Ob sie von überall gleich aussahen? Ob jemand in einer großen Stadt auf die gleiche Sterne sah?    

Sie fing an die Sterne zu zählen… Doch sie kam nicht weit, denn eine Stimme durchbrach die Stille: „CECILIA! Wo steckst du wieder?! Komm sofort aus deinem Versteck!“ Sie zuckte zusammen. Ihre Mutter klang ziemlich wütend. Sie sollte sich beeilen, bevor ihre Mutter sie auf dem Dach fand. 

Cecilia warf noch einen letzten Blick in den Himmel. So konnte sie gerade noch sehen, wie eine Sternschnuppe den Himmel überquerte. Sie lächelte. Sie schloss die Augen und wünschte sich etwas. Sie wünschte sich, an einen Ort zu kommen, der so anders war als dieser. Ein Ort, von dem sie hier nur träumen konnte. Ohne sich noch mal umzudrehen, kletterte sie in der Dunkelheit der Nacht und ging ins Bett. 

 

 

 

Von den gläsernen Mauern der Existenz 

 

Wie Mauern aus Glas. Wie durch einen Schleier nehme ich die Welt um mich herum wahr. Ich bin nicht lebendig. Doch ich gehöre auch nicht zu den Toten. Mein Herz schlägt gegen meinen Brustkorb; in meinem Körper. In einer Hülle, die nach außen hin versucht, es allen und jedem recht zu machen. Einer leeren Hülle, die gelernt hat, selbst zu handeln.  

 

Blicke ich in den Spiegel, lächelt sie mich an. Höre ich einen Witz, lacht sie. Sehe ich etwas Unglaubliches, staunt sie. Schaltet jemand Musik ein, entspannt sie sich. Doch das bin nicht ich. All die Gefühle erreichen nicht mein Inneres. Sie schwimmen auf einer Oberfläche, die widerspiegelt, was andere in ihr sehen wollen. Einer Oberfläche, die über all die Jahre alles, was sie gesehen hat, aufgesogen hat, um es im richtigen Moment wieder freizulassen. Um sich ihrer Umgebung anzupassen. Und um all den Erwartungen gerecht zu werden, die wie Steine in ihr versinken und sich zu einem großen Klumpen ansammeln.  

Jener Klumpen scheint mein Handeln zu bestimmen; meine Persönlichkeit und mein Aussehen wandelbar wie die Haut eines Chamäleons zu machen.  

 

Wie eine Decke überzieht mich die Angst, nicht akzeptiert zu werden. Wie eine Decke, die jeden Versuch meines Inneren, es selbst zu sein, erstickt. Aber auch wie eine Löschdecke, die das brennende Feuer der Entmutigung verhindert, das, wenn es in einem erst entflammt ist, nicht aufhören will zu brennen. Mein Körper kommt mir vor wie ein Schutzmechanismus. Die Eisschicht, die mein Inneres und all die Emotionen umgibt, soll diese nicht völlig ausschalten, sondern lediglich schützen. Schützen vor der Verbitterung, dem Schmerz, den die Welt für alle, die sich nicht dagegen zu wehren wissen, bereithält. Dem Schmerz, der existiert, wie Freude und Glück existieren. Wie er immer existieren wird, da das eine nicht ohne das andere vorhanden sein kann. Wie die Nacht nicht ohne den Tag, wie Dunkelheit nicht ohne Licht da ist. Kennen wir das eine nicht, können wir das andere nicht missen. Doch haben wir erst beide Seiten kennengelernt, wird es immer eine geben, die wir bevorzugen. Nicht immer können wir wählen. Ist man erst zu weit auf die eine Seite vorgedrungen, kann es nur allzu schwer werden, wieder zurück zu finden. Die meisten von uns pendeln zwischen den Welten der Empfindungen hin und her. Mal sind sie auf der der Freude, mal auf der der Angst, mal auf der der Wut. Merken sie, warum sie dort sind oder warum sie nicht dort sein sollten, dauert es nicht lange, bis sie sie wieder verlassen. Dann sind Hoffnung und Erkenntnis wie ein Licht, das sie leitet. 

 

Doch ich habe aufgehört zu pendeln. Mein Inneres ist auf einer Welt des Kummers, der Einsamkeit, der Angst, des Schattens und des Gefangenseins geblieben. Zu lange verweilte ich dort. Die Hülle meiner selbst ist weitergezogen. Sie wechselt hin und her, zieht mit den anderen mit, tut, als wäre der Zweck ihres Daseins damit erfüllt. Als wäre sie zufrieden damit, immer zu einer neuen Welt zu hetzen. Immer so zu tun, als sei alles in Ordnung; als wüsste sie immer genau, was sie täte; als würde sie nie Fehler machen; als wäre alles perfekt. 

 

Ist es vielleicht das, was wir müssen? Müssen wir immer perfekt sein? Müssen wir immer alles richtig machen und muss immer alles in Ordnung sein? Müssen wir wachsen und blühen und das, obwohl wir doch wie eine Blume sind, der das Wasser entzogen wurde? Der Regen, der uns gedeihen lässt, bringt wie selbstverständlich all die Finsternis und Kälte mit sich. Stellt uns immer vor die Herausforderung, die am schwersten zu überwinden ist, uns aber am meisten wachsen lässt. Die Art von Regen, die in die Haut einzudringen scheint, um dort ihre unsichtbaren Spuren zu hinterlassen. Spuren, die in unserem tiefsten Innern immer ein Zentrum aus all den negativen Gefühlen bilden werden, die wir versuchen täglich auszublenden. Die sich gegenseitig nähren und anzuschwellen drohen, wie das Meer bei Flut. Bei einer Flut, die einzig und allein die Ebbe zu stoppen vermag. Die Ebbe, die all die dunklen Gedanken mit sich trägt und ins offene Meer hinausspült, wo sie schließlich schwer wie Blei zu Boden sinken und dortbleiben, bis man sie neu an Land fischt. 

 

Viel zu oft habe ich meine Angelrute ausgeworfen; habe sie wieder eingeholt. Habe Erinnerungen an längst vergangene Tage hervorgeholt, um nicht zu vergessen. Denn das Vergessen ist es nicht, was ich will. Ich will mich erinnern können, an all die düsteren Zeiten. Lediglich der Schmerz, den diese Erinnerungen mit sich bringen, soll sich nicht mehr wie unlösbare Algen in meinem Fang verheddern. Es mag sein, dass ich verloren habe. Verloren gegen meine innere Stimme, meine Dämonen. Doch ich habe gelernt. Damals wusste ich es noch nicht, doch nun weiß ich, dass alles nur darauf hinausläuft die eigenen Fehler zu erkennen. Um die eigene Schwäche und Verletzlichkeit zu wissen, die uns zwar angreifbar, aber lebendig macht. Ich weiß, dass es darum geht, vom Boden aufzustehen, auch wenn eine unsichtbare Last dich zu Boden zu drücken scheint.  

 

Manchmal ist es sinnvoll, alte Mauern einzureißen, um neue zu bauen; alte Bücher zu schließen, um neue zu beginnen. All die Zeit war ich gefangen. Zwar konnte ich mich bewegen und gehen, wohin ich wollte, doch es war, als wäre ich umgeben von einer Mauer. Einer gläsernen Mauer, durch die ich sehen, aber nicht fühlen konnte. Die alles von mir abtrennte, was ich brauchte. Nicht die überlebensnotwendigen Dinge, nicht die materiellen. Die lebensnotwendigen, die man nicht sehen kann, von denen man aber weiß, dass sie dort sind. Die, die einem ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, einen aufgeregten Schluckauf verursachen, die Finger gespannt kribbeln lassen. Die, die die Zeit stillstehen lassen, sodass der Augenblick, und sei er noch so kurz, nie zu enden scheint. Die, die keinen Weg durch das Glas finden können. 

 

Reiße ich die Mauer ein, kostet dies keine Kraft.  

Es kostet unendliche Überwindung und den Schmerz, den die dahinter lauernde Leere verursacht. Das Wissen, dass dort nichts ist, was auf einen wartet. Nichts bleibt. Hinter jeder Ecke, in jedem Winkel wartet nichts als die unendliche Leere. 

Es ist ein Neuanfang. Man verabschiedet das Alte, um dem Neuen Platz zu machen, löst sich von alten Erinnerungen, um neue Erlebnisse zu solchen zu machen. Alte Wunden werden endgültig verschlossen und werden zu Narben, die nur noch zeigen, wie viel Schmerz man einst erlitten hat. Wie viel man ertragen hat, um zu dem zu werden, was man heute ist.  

 

Ein Mensch, der mit sich selbst im Reinen ist, wird nicht so geboren. Er entscheidet selbst, ob und wann es an der Zeit ist, etwas zu ändern. Manchmal geschehen jene Veränderungen unbewusst, manchmal ist es ein Kampf. Man lässt niemanden etwas spüren von dem Sturm, der in einem tobt. Will nicht als schwach oder ängstlich gelten. Will nicht bemitleidet werden. Es soll bloß jemand da sein, der versteht. Der hinter einem steht und auch bleibt, wenn die Sonne mal hinter Wolken verschwindet; wenn es mal regnet und der Schirm nicht aufgeht. Der dich einfach nur wissen lässt, dass er da ist. Dass du nicht allein bist, auch wenn du deine Mauer schließlich einreißt. Du baust etwas Neues und er steht neben dir, um dir über die Schulter zu schauen und dich zu motivieren; nicht aufzugeben. Weiterzumachen, auch wenn Steine in der Erde schlummern, in die du gräbst. 

 

Auch heute noch bin ich dankbar für diese Zeit, in der mir im Stillen Hoffnung gegeben wurde; in der ich erkannt habe. Sie war das Licht, das mein von ihrer leeren Hülle verlassenes Inneres befreite. Befreite von der Welt, auf der es zurückgelassen wurde, weil seine Last zu groß war. Weil es leichter war, ohne es weiter zu machen; ohne das Gewicht, die Last meines Inneren, das die eine Hälfte der Waage nach unten drückte. Doch fehlte die eine Seite der Waage, gab es gleichzeitig keine Waage mehr, also nichts, was im Gleichgewicht sein könnte. Es herrschte ein stetes Ungleichgewicht, das nichts auszugleichen vermochte.  

 

Nicht umsonst gibt es in Märchen immer Gut und Böse. Nur so kommt es zu einem glücklichen Ende. Der Drache wird von einem Helden besiegt und die Prinzessin wird gerettet. Im wahren Leben ist alles dieselbe Person. Der Drache schlummert tief in einem, bis er alles zu verschlingen und ins Chaos zu stürzen droht. Die Prinzessin steht für das Fünkchen Hoffnung, das noch in uns steckt, das aber vom Drachen gefangen gehalten und tyrannisiert wird. Der Held kommt und befreit die Hoffnung. Natürlich wird hier niemand getötet, wie in all den Geschichten, doch man schließt Frieden mit den inneren Dämonen. Man braucht einen Helden, der alles wieder in Ordnung bringt. Und nachdem man vom König geschubst wurde, dem Jemand, der einem den Glauben an sich selbst verleiht, wird man selbst zu diesem Helden. Man zieht aus und befreit sich aus den Klauen der eigenen Person. Zurück kommt man verändert, doch ist man auch weiser geworden. 

 

Ich weiß nun, dass ich selbst bestimme, was andere von und in mir sehen. Ich bin mir im Klaren darüber, dass ich ich selbst sein kann. Ich muss nicht allen gefallen, muss es nicht allen recht machen, wird es doch immer Personen geben, die mich nicht so akzeptieren, wie ich bin. Es ist mir möglich, meine Emotionen und Gefühle zu kontrollieren, doch eingesperrt habe ich sie nie wieder. Sie sind ein Teil von mir; sie machen mich aus. Ich habe aufgehört mich aus mir selbst auszusperren. Seither hat sich mein Leben um hundertachtzig Grad gedreht. Ich genieße jeden einzelnen Tag, als könne es mein Letzter sein. Ich finde wieder mehr Zeit für die Personen und Dinge, die ich liebe; mehr Zeit für meine Hobbies. Ich atme freier. Doch ich denke nicht weniger. Ich weiß nun jedoch, wie ich meine Gedanken sanft lenken kann, wie sie nicht mehr völlig frei und durcheinander durch meinen Kopf schwirren. Ich habe keine Angst mehr vor ihnen. Sie sind meine treuen Begleiter geworden, die Zusammenhänge erkennen und mein Leben kommentieren. Ich habe gelernt, nicht mehr in mein dunkles Loch zu fallen. Keinen Teil von mir auf einer der dunklen hoffnungslosen Welten zurückzulassen. Keine Mauern mehr um mich zu bauen.  

 

Wie Mauern aus Glas. Der Schleier ist von meinen Augen gefallen. Nach langer Zeit bin ich wieder durch und durch lebendig. Die Mauer sperrt mich nicht mehr ein. Sie trennt mich lediglich von der Dunkelheit. Ich kann die Schatten sehen und ihnen friedlich zuwinken. Durch meine gläserne Mauer. 

Wenn ich zurück denke frage ich mich, wann es begonnen hat. Wann die Pandemie anfing, wann sie enden wird. Wie lange dauert sie schon? Ein Jahr? Länger? 

 

Ein normaler Schultag stand an, oder besser gesagt, der normale Schultag, so wie er vor der Pandemie aussah. Wir hatten eine Klassenleiterstunde, und hin und wieder wurde getuschelt. Uns wurde erzählt, dass ein Virus seinen Weg zu uns gefunden hatte. Zu reisen wurde nicht empfohlen, das Virus sollte sich nicht weiter ausbreiten können. An diesem Tag erfuhren wir, dass unsere Klassenfahrt höchstwahrscheinlich abgesagt werden musste. Wir waren sehr betrübt, da eine Klassenfahrt immer etwas Besonderes ist. Auch um unseren „Lese“-Tag war es geschehen. Wenn ich zurückdenke ist dies keine so große Sache mehr. 

Nach und nach wurden immer mehr Regeln eingeführt, von denen ich niemals gedacht hätte, sie erleben zu müssen. Plötzlich wurde die Schule geschlossen, alle Schüler blieben zu Hause und mussten auch ihre Aufgaben zu Hause erledigen. Diese Erfahrung brachte für mich nur einen guten Punkt mit sich. Plötzlich schätzte ich die Schule viel mehr. 

Draußen wurden nun Masken getragen, Läden wurden geschlossen, Sportvereine wurden dicht gemacht. Nur das Allernötigste blieb. Und selbst davon gab es nicht genug. Menschen bekamen Angst. Wo viele gegenwärtig über Hamsterkäufe von Nudeln und Klopapier lachen, fürchteten und fürchten sich andere. Alle nehmen die Situation in der wir uns befinden anders wahr. Für mich ist diese ein Verlust: Ich sehe weder Freunde, Lehrer, noch Verwandte. Es gibt keine Schulaufgaben mehr, es gibt nur noch Hausaufgaben. 

Für meine Schwester ist es nicht richtig verständlich. Sie wird dieses Jahr in die Schule kommen...oder eigentlich sollte dies der Fall sein, ob, wie und wann, weiß ich es auch nicht mehr... 

Da sie bald ein Schulkind seien wird, wurde ihr eine Art kleine Hausaufgabe gegeben, die sie freudig bearbeitet hatte. Hausaufgaben findet sie nämlich super! Die Aufgabe bestand aus einer Frage. „Wie geht es dir mit dem Corona-Virus? Male etwas dazu!“ Am Ende zeigte sie mir ihr Werk. Sie hatte einen Daumen, der nach oben zeigte und einen lächelnden Smiley gemalt. 

Für sie hat sich nicht viel verändert. Sie geht in den Kindergarten, da beide meiner Elternteile arbeiten gehen müssen. Nur die Masken sind neu und sie ist kein großer Fan vom gründlichen Händewaschen. 

Im Moment haben es viele schwer. Auf einer Seite im Internet hatte ich einen Artikel zum Schulunterricht gelesen, wie Eltern, Lehrer und Schüler nun zurecht kommen müssen. Unterhalb des Textes fand ich Unmengen von Kommentaren. Eltern, Lehrer, Schüler,… Alle beschwerten sich über den jeweils anderen. Teilweise wurden Kommentare ziemlich respektlos oder verletzend. Alles verläuft stressig, jeder ist überfordert und kein Ende ist in Sicht. Dabei sollten wir doch genau jetzt probieren uns möglichst zusammenzureißen. Die Lage ist schwer genug. Und selbst hier kenne ich nur meine Sicht der Dinge. Unglaublich viele Menschen sind gestorben. 

Es kommt mir unwirklich vor. Unwirklich. Unverständlich. 

Anders.